Samstag, 14. Mai 2016
schwer.
Der Satz, der mir immer wieder in den Sinn kommt, ist: "Ich hasse mein Leben."

Ich hasse eigentlich nicht alles davon. Ich habe eine Freundin, die ich sehr lieb habe, und meine Großmutter, und noch eine andere Freundin, und meinen Hund. Durch meinen Hund und meine beiden Freundinnen habe ich Ablenkungen und Zeiten, in denen ich nicht viel über den Rest nachdenken muss.

Ich mag es, sinnlos irgendwelche Serien anzuschauen, die spannend sind, dabei muss ich nicht nachdenken. Oder beim Zocken am PC.
Wenn ich mit Freundin und Hund im Wald bin, unterhalten wir uns und ich muss auf den Schnuffel achten, da bin ich auch abgelenkt.
Essen ist auch super dafür. (Zum Glück mache ich wenigstens ein bisschen Sport, sonst wäre ich bestimmt sehr dick.)

Wenn ich Aussicht auf einen schönen Tag habe, habe ich sofort ein schlechtes Gewissen. Ich habe sofort das Gefühl, ich verdiene es nicht, mich gut zu fühlen. Ich verdiene keine schöne Zeit, keinen Spaß, keine Freude.

Was mache ich schon, was leiste ich? Nichts. Ich schaffe es im Moment nicht einmal, Bewerbungen zu schreiben. Ich müsste unbedingt. Ich brauche einen Job, so schnell wie möglich.
Aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen kann.
Bei der Vorstellung, jeden Tag wieder unter so vielen Menschen zu sein, bekomme ich Angst. Mein Herz schlägt schneller und ich bekomme Schweißausbrüche.
Ich habe schon gearbeitet, im Service zum Beispiel. Es war anstregend, so anstrengend... Ich brauchte immer alle freie Zeit um mich nur davon zu erholen. Kein Raum für etwas anderes mehr.
In meinem Kopf sind nur die geschehenen Dinge bei der Arbeit und alles, was ich möglicherweise falsch gemacht habe, wobei ich mich blamiert habe, was sie jetzt wohl von mir denken...
Und dann, wenn ich damit durch bin, kommt die Angst vor der nächsten Schicht. Werde ich alle Aufgaben erledigen können? Alle Fragen beantworten? Alles richtig machen? Was, wenn nicht?
Ich habe immer gute Arbeitszeugnisse bekommen, von Praktika, von Nebenjobs. Ich war nie eine schlechte Mitarbeiterin, wenn man dem Glauben schenken kann.
Trotzdem diese Angst. Immer.

Bei dem Gedanken, wieder so leben zu müssen, kommt sie wieder, stärker als vorher.

Zuhause sein kann ich auch nicht. Es zerfrisst mich. Trotz langer Spaziergänge im Wald, trotz Sport. Der Gedanke, so nutzlos zu sein...
Ich bin eine Platzverschwendung. Ich wünschte, ich würde sterben.
Aber um mich selbst umzubringen, habe ich schon seit Jahren zuviel Angst.
Ohne mich wäre es besser. Sie müssten die Verantwortung für mich nicht mehr tragen, nicht mehr für mich mit bezahlen, sich mein Gejammer nicht mehr anhören.

Sie wären frei von mir.

Wie soll meine Zukunft aussehen? Ich werde immer nur am Existenzminimum leben. Gerade so die Miete zusammenkratzen. Nie die Welt sehen.
Ich würde so gerne reisen... fremde Länder sehen, andere Kulturen kennen lernen...
Irgendwann mal in einem kleinen Haus am Waldrand leben, meinen kleinen Buchladen in der Stadt haben... Meine eigenen Bücher an einem Schreibtisch neben einem großen Fenster schreiben, durch das die Sonne scheint.
Das wird nie passieren. Mit einem Teilzeitjob, den ich wahrscheinlich nicht einmal schaffe zu machen, wird das nie finanzierbar sein.

Und diese Angst wird mich auch niemals loslassen.

Die Blicke anderer Menschen sind für mich wie Nadeln, die mich stechen.
In mir drin ist der schwarze Klumpen, der mich mit seinen Fäden zusammenzieht und festhält. Ich kann mich nicht wehren.
Es war nie anders. Wie soll es jemals anders sein?

Wie habe ich überhaupt so lange durchgehalten...

Ich habe einen Artikel gelesen, dass in Belgien nun Sterbehilfe auch für Menschen mit psychischen Krankheiten erlaubt wird.
Eine Frau, die interviewt wurde, sagte, dass das Leben eben einfach nichts für sie sei.
So kommt es mir auch vor.

Ich bin hier falsch. Ich bin falsch. Ich bin irgendwo falsch abgebogen und hier gelandet. Ich gehöre hier nicht hin.
Anscheinend kann ich nicht so sein wie all die anderen. Ich würde es gerne. Es sieht so leicht aus. Sie sagen, jeder hat sein Päckchen, und man muss eben damit klar kommen.
Ich schaffe das aber nicht. Es ist so schwer, es erdrückt mich. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Das Leben ist schwer. So schwer.

Früher habe ich mir immer den Tag vor meinem 30. Geburtstag als Deadline gesetzt.
"Bis ich 30 bin, bin ich tot." habe ich immer gesagt. Sie fanden das alle ziemlich lustig, haben gelacht. Dachten, ich mache Scherze.
Das war kein Schwerz. Ich habe noch drei Jahre. Wenn ich es bis dahin nicht schaffe, dem Leben etwas abzugewinnen, bin ich nicht mehr stark genug, es länger zu tragen.
Vielleicht ist es auch schon früher so weit.

Ich will eigentlich nicht sterben. Ich male mir so viel schönes aus. Ich stelle mir vor, was ich alles tun könnte.
Wenn ich ein bisschen mehr Geld hätte, die Schmerzen aufhören würden und der schwarze Klumpen weg wäre.
Ich würde so viel tun. Es wäre so schön. Aber ich weiß nicht, wie ich dahin kommen kann.

Ich sehe den Weg nicht. Für mich ist es nicht leicht. Alles zieht und zerrt an mir, zerbricht und zerreisst mich.

Ich will nicht faul sein. Wirklich nicht. Aber ich weiß nicht, wie ich einen normalen Arbeitsalltag durchstehen soll.
Ich habe es versucht. Jahrelang. Immer wieder. Immer wieder versagt.

Was mache ich falsch. Warum fällt mir so schwer, was für andere so selbstverständlich ist?
Wie können sie so sorglos sein...

Ich wäre gerne sorglos. Oder hätte nur gerne ein paar Sorgen weniger. Ich will keine Angst mehr haben.

An Tagen wie heute sehe ich keine Sonnenstrahlen.

Ich warte nur darauf, dass sie nach Hause kommt, damit ich nicht mehr alleine bin. Zum Glück ist mein Hund da.

Ich sehe keine Sonnenstrahlen.

Wenn ich sterben würde, wären sie traurig, das haben sie gesagt. Ich glaube, das stimmt wohl, aber das geht vorbei, und im Endeffekt wäre es eine Last weniger, die sie tragen müssten.

Und eine gesellschaftliche Versagerin weniger im Land. Wirtschaftlich auch besser. Nicht, dass mich das besonders interessieren würde - mein Staat hat mich von Anfang an im Stich gelassen.
Als es anfing, dass ich krank war. Als Kind hat es schon keinen von ihnen interessiert, als Pseudo-Erwachsene erst recht nicht. Die sind doch froh über jeden, der sich selbst umbringt und sie dadurch kein Geld mehr kostet.
Von der Gesellschaft, den Ämtern, den Krankenkassen... von ihnen kam nie Hilfe. Meine Mutter war verzweifelt, so viele Briefe und Termine...
Es hat keinen interessiert.
Deswegen werden sie mir jetzt wohl kaum helfen. Oder auch nur Verständnis zeigen. Das wird keiner von dieser Seite.

Ich will nur, dass ds alles aufhört. Am liebsten würde ich einschlafen und nicht mehr aufwachen. So fühlt es sich an. Alles nur schwer, trübe und ekelhaft.

Im Moment habe ich zuviel Angst davor, was die Alternative zum Leben, wie ich es kenne, ist.
Es sind noch knapp drei Jahre, bis ich 30 werde. Zum Kotzen. 27 Jahre und nichts erreicht.
Die Zeit ging an mir vorbei und ich kam nicht mit. Als würden alle um mich herum rennen und ich würde stehen, weil ich nicht weiß, wohin ich rennen soll.
Ich fühle mich, als wäre ich vielleicht 22.
Die Krankheit hat mir so viel weg genommen. So große Teile meines Lebens. Und sie tut es immer noch.
Vielleicht glauben mir Leute ja, dass ich so ein Loser bin, weil ich fünf Jahre lang im Koma lag und den Anschluss verpasst habe? Fünf Jahre? Sieben?
Mein 18. Geburtstag war ein Schock. Von da an war jeder, der darauf folgte, ein noch größerer.
Wie kann es sein, dass es mit der Zeit nicht besser wird?
Ich sollte doch so viele Möglichkeiten haben, wenn ich groß bin... Ich sollte eine schöne Arbeit haben, die mir Spaß macht, selbstständig sein...

Ich bin nicht groß geworden. Ich will es nicht sein. Ich kann es nicht sein.

Ich bin immer noch ein Mädchen, dass den Anschluss verpasst hat und ihn ums Verrecken nicht mehr findet.